Reiserouten / UNGARISCHE ROUTEN

Doberdò: das ungarische Hochgebiet und der Baum Albero Isolato
Fast ein Jahr nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges tritt Italien dem Krieg bei und bereitet sich vor, die Frontlinie am Fluss Isonzo (slow. Soča) anzugreifen.

Am  24. Mai 1915 kamen die Honvéden des 1. Infanterieregiments Budapest nach Doberdò (slow. Doberdob) an; nach einigen Wochen folgten ihnen Tausende anderer ungarischer Soldaten. Sie kamen aus der ungarischen Hauptstadt Budapest, aber auch aus Debrecen, Szèkesfehèrvàr, Szeged, Karánsebes (Banat, heute in Rumänien), Nagyvárad (Oradea, heute in Rumänien), Temesvár (Timişoara, heute in Rumänien) und in kleinerer Anzahl auch aus anderen Ortschaften des großen ungarischen Königreichs: Pécs, Sopron, Eger, Pozsony (heute Bratislava in der Slowakei).

Während der ersten sechs Isonzoschlachten (Juni 1915 – August 1916) hatten die 20. und die 17. Ungarische Divisionen die Aufgabe, das Hochgebiet um Doberdò vor der ununterbrochenen italienischen Offensive zu verteidigen. Die hufeisenförmige Frontlinie breitete sich von der Mündung des Flusses Vipacco (slow. Vipava) über den Berg San Michele (slow. Debela griža), die Ortschaft San Martino (slow. Martinščina), die Erhebung Polazzo (slow. Polač) und den Karstrand über Redipuglia (slow. Sredipolje), die Ortschaft Vermegliano (slow. Romjan) bis nach Monfalcone (slow. Tržič) aus. Nach der 6. Schlacht befahl der Erzherzog Joseph August, der Kommandant des VII. Österreichisch-ungarischen Armeekorps, den Rückzug aus dem Gebiet um Doberdò und ordnete an, auf der anderen Seite des Tales Vallone (slow. Dol) Stellung zu nehmen. Die  ungarischen Friedhöfe mit den Tausenden von Gefallenen blieben, um die Hochebene zu bewachen. Ungefähr 10.000 von ihnen ruhen noch heute im österreichisch-ungarischen Friedhof in Fogliano-Redipuglia.

Das Dorf Doberdò, das unter allen Gesichtspunkten für diese Gegend repräsentativ ist, steht noch heute in der ungarischen Volksvorstellung für ein entsetzliches und gleichzeitig rühmliches, fast mythisches Kapitel der ungarischen Geschichte. Sogar der Klang des Wortes „Doberdò – Doberdob“ (dob = Trommel) erinnert die Ungarn an das ununterbrochene Trommelfeuer der Artillerie. Das unmenschliche Blutbad von Doberdò wird trotz der ungeheuren Tragödie für hunderttausende ungarische Soldaten,  noch heute als Symbol des „Großen Ungarns“ empfunden, des historischen europäischen Staates, der eben im Ersten Weltkrieg mit dem österreichischen Kaisertum unterging.

Ungarische Routen auf dem Karst um Doberdò

1. Route

Die ungarische Kapelle und die Kanonenstellung auf dem Berg Brestovec
Am 20. Mai 2009 hat der ungarische Präsident Sólyom László die wiederaufgebaute ungarische Gedenkkapelle eingeweiht. Nach der Schlacht in Kobarid (ital. Caporetto), die letzte der 12 Isonzoschlachten, und die einzige, die von der österreichisch-ungarischen Offensive geplant worden war, konnten die Ungaren die Hochebene um Doberdò wieder besetzen und die zahlreichen Friedhöfe, die den Italienern vor einem Jahr überlassen worden, wieder in Stand setzen. Zwischen den zahlreichen Denkmälern, die die Ungaren aufbauten, bleibt nur eines: die Kapelle des 4. Infanterieregiments Honvéd in der Ortschaft Visintini (slow.  Vižintini). Die breiten Wiesen unter der Kapelle sind alles, was von dem großen Friedhof der 17. K.u.K. Division geblieben ist. Man kann das Auto in Visintini parken, die Kapelle anschauen und langsam auf den Berg Brestovec (Kote 209 m) steigen, wo in der Bronzezeit einmal eine uralte Rundwallung  stand. Auf dem Gipfel des Berges gruben die italienischen Truppen nach der 6. Offensive einen langen Tunnel, um dort die Kanonen aufzustellen, die jedoch  während des Krieges nie verwendet wurden. Es lohnt sich aber, sie zu besichtigen, auch wegen des weiten Panoramas mit Blick auf das Karstgebiet um Doberdò und Komen und wegen der vielen italienischen Schützengräben. Am Ende des Tunnels kann man den Weg bergab bis zur Hauptstraße in Vallone wählen (daneben gab es einen Friedhof der 20. Divison Honvéd und andere italienische Friedhöfe), um nach Visintini zurückzukehren, oder auf demselben Aufstiegsweg wieder ins Tal gehen.

Zum Abschluss empfehlen wir, den österreichisch-ungarischen Friedhof in Fogliano-Redipuglia, das Museum des Ersten Weltkrieges und die Gedenkstätte in Redipuglia zu besichtigen (von Visintini ungefähr 20 Minuten Autofahrt entfernt).

NÜTZLICHE INFORMATIONEN
Dauer: ungefähr 2 Stunden
Führer: qualifizierter Führer, Experte der ungarischen Ortsgeschichte des Ersten Weltkrieges
Schwierigkeitsgrad: leicht, für alle
Boden: Schotterstraßen und Pfade
Kleidung: bequeme Kleidung, Sport-oder Trekkingschuhe, eine Flasche Wasser und eine Taschenlampe

 
2. Route

Ungarische Säulenstümpfe und Denkmäler: das Tal Albero Isolato zwischen San Martino und San Michele del Carso
Neben der Kirche in der Ortschaft San Martino (slow. Martinščina) wuchs bis Juni 1916 ein Baum, er überstand als Einziger die Verwüstung zwischen den Karststeinen, die die italienischen Granaten zerbrochen hatten. Der Erzherzog Joseph August, Kommandant des VII. Armeekorps, beschrieb ihn: „Ein schmerzhaftes Gefühl überkommt mich jedes Mal, wenn ich diesen leidenden Baum sehe, der sich inmitten dieses wüsten Trümmerhaufens erhebt. Es gibt mir einen eiskalten Stich ins Herz bei der Frage: „Bist du das Symbol unseres Schicksals, du, armes Bäumchen?““ Die Männer des 46. Infanterieregiments K.u.K. Szeged beschlossen, den Baum zu retten und ihn als Vorankündigung ihrer Rückkehr in die Heimatstadt zu schicken. 2013, nach knapp einem Jahrhundert nach seiner Entwurzelung, ist der Baum Albero Isolato (slow. Osamelec; »a Doberdói fa« für die Ungaren), als ein wichtiges Zeugnis der italienisch-ungarischen Zusammenarbeit, nach  San Martino zurückgekehrt.

Hinter der Pfarrkirche weist uns ein Schild den Weg zum Denkmal, das dem 4. Armeekorps Honvéd und seinen Soldaten gewidmet wurde, die hier 1915 ums Leben kamen, um den Berg San Michele (slow. Debela griža) zu beschützen. Wir gehen den Pfad entlang weiter, überqueren die Asphaltstraße, die auf den Berg San Michele (Kote 275) hinaufführt, und erreichen den Rand des berühmten Tales, das der italienische Dichter-Soldat Giuseppe Ungaretti in seinen Versen berühmt machte. Die Gedichte wurden von seinem ungarischen Freund und Dichter Csorba Győző übersetzt. Wir biegen hinauf in Richtung Nord-Osten ab, überqueren wieder eine Asphaltstraße und bald erreichen wir den Gipfel Nr. 4 des Berges San Michele, das Hauptbollwerk der ungarischen Verteidigung. Nur wenige Meter weiter kann man die Kaverne Lukacich, den Sitz des Kommandanten General Lukachich Géza der 20. Division Honvéd, den Eingang in den Schönburgtunnel, den Kanonentunnel der III. Italienischen Armee besichtigen. Nach der Besichtigung des Heiligen Gebiets des Berges San Michele (Schauplatz und Museum des Ersten Weltkrieges) gehen wir bergab nach San Martino zurück.

NÜTZLICHE INFORMATIONEN
Dauer: ungefähr 2-3 Stunden
Führer: qualifizierter Führer, Experte der ungarischen Ortsgeschichte des Ersten Weltkrieges
Schwierigkeitsgrad: leicht
Boden: Schotterstraßen und Pfade
Kleidung: bequeme Kleidung, Sport-oder Trekkingschuhe, eine Flasche Wasser und eine Taschenlampe